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Über das Warten

Warum warten wir so ungern? Warum empfinden wir es oft als störend, als etwas, das uns in unserem Schaffensdrang aufhält?

Gerade jetzt im Advent, der eigentlich der Inbegriff des ruhevollen, vorfreudigen Wartens ist, ist es mit unserer Geduld nicht weit her. Denn jeder will noch schnell dies oder das erledigen.

 

Sicher. Der eine ist ungeduldiger, als der andere. Aber wirklich gerne wartet niemand. Und natürlich gibt es unterschiedliche Arten des Wartens. Das Warten auf etwas Schönes, auf etwas Unangenehmes oder Angsteinflößendes, auf jemanden, den wir lieben oder jemanden, den wir nicht kennen, auf Pakete, den Urlaub, auf Kinder, auf Freigaben, ungwolltes Warten, bewusstes Warten, das Warten auf Weihnachten – die Liste ist endlos.

 

Warum wir meistens aber so furchtbar ungern warten, hat vermutlich verschiedene Gründe: Zum einen empfinden viele von uns Warten als verlorene Zeit, weil es unser Tempo drosselt und das, was wir erreichen oder haben wollen, aufschiebt. Statt diese Zeit zu nutzen, mosern wir, bekommen schlechte Laune oder dillern sinnlos am Handy herum.

 

Zum anderen haben wir uns daran gewöhnt, alles gleich zu bekommen oder erledigen zu können. Vom Entstehen eines neuen Wunsches bis zu dessen Erfüllung sind es manchmal nur wenige Minuten und einige Klicks. Wir hören ein Lied, das uns gefällt, werfen Shazam an und kaufen den Song anschließend mit unserem Fingerabdruck im Musicstore. Wie soll man bei einer derart schnellen Bedürfnisbefriedigung noch warten können? Wenn doch alles so viel schneller gehen könnte?

 

Weil das Leben Zeit braucht. Und wir. Deswegen sollten wir warten können. Bis wir selbst wieder bei uns ankommen, weil wir uns selber davon gelaufen sind. Weil wir alles schneller tun können. Die schnellere Verfügbarkeit führt nicht dazu, dass wir mehr Zeit haben, in der wir uns entspannen oder etwas Schönes tun. Sondern sie führt dazu, dass wir einfach mehr in unseren Tag hinein packen. Wir beschleunigen unser Leben. Werden wir dann plötzlich zum Warten gezwungen, bringt uns das aus dem Tritt. Es stört und nervt.

 

Und trotzdem oder gerade deswegen komme ich nun mit dem altklugen Spruch meiner Uroma, die gesagt hat "Gut Ding will Weile haben, min Lütt!". Ja, da hatte sie wohl recht. Auch wenn wir das heute oft nicht mehr sehen können, weil doch alles so schnell scheinbar perfekt gelöst werden kann. Aber ist das dann auch nachhaltig gut? Macht es uns nachhaltig zufrieden?

 

Wenn ich an meinem Schreibtisch sitze und texte, Konzepte oder Ideen entwickle, dann komme ich manchmal an einen Punkt, an dem ich weiß, dass es nun an der Zeit ist, ein wenig abzuwarten. Manchmal finde ich einen Text noch nicht rund. Dann brauchen er und ich eine Nacht Ruhe, damit er mir am nächsten Morgen ganz neu erscheinen kann. Ich sehe andere Lösungen und habe neue Ideen. Weil ich einfach mal abgewartet habe. Erst dann kann ich mit wirklich gutem Gefühl einen Text oder ein Konzept abschließen.

 

Naturlich ärgere auch ich mich, wenn andere Timings nicht einhalten und ich warten muss. Und auch ich kann wirklich genervt sein, wenn ein Fahrschüler vor mir an der grünen Ampel zum dritten Mal das Auto abwürgt, wenn ich es eilig habe. Ich versuche dann, diese Zeit sinnvoll zu nutzen oder einfach mal durchzuatmen. Das Beste aus der Situation zu machen. Dazu ist es egal, ob man in einer Warteschlange an der Kasse steht, auf den Beginn des Konzerts wartet, zusieht, wie sich ein Kind in aller Seelenruhe die Schuhe bindet, während man selbst es doch furchtbar eilig hat oder ob man warten muss, bis der gebrochene Fuß abgeheilt ist und man wieder tanzen und springen kann.

 

Der Advent wird uns allen jeden Tag viele Möglichkeiten bieten, das Warten zu üben und als kleines Geschenk einfach anzunehmen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Je nachdem, warum oder wo man auf was auch immer warten muss, könnte man vielleicht.. ein Buch lesen, Tee trinken, eine Katze streicheln, ein Nickerchen halten, tief durchatmen, eine Runde spazieren gehen, Kuchen backen, Zeitung lesen, Joggen gehen, mit dem Menschen vor einem in der Schlange sprechen, den Geldbeutel oder die Handtasche ausmisten, über etwas nachdenken...