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Was Zuhören mit Ruhe zu tun hat

"Nee, schreibt die jetzt echt übers Zuhören? LANGWEILIG!".

Ja, ich schreibe jetzt echt übers Zuhören. Und nein, das ist nicht langweilig. Ganz im Gegenteil.

 

Zuhören ist der verkannte Teil der Kommunikation, der sie manchmal mehr beeinflusst, als das Reden. In der Schule lernt man Inhalte vorzutragen, Referate zu halten, später gibt es Rhetorik-Seminare und Kommunikations-Schulungen. Es geht immer darum, "wie drücke ich micht aus, wie rede ich".

 

Das Zuhören wird meist als Fähigkeit vorausgesetzt, die keiner Übung und Verbesserung bedarf. Dabei ist gerade das Zuhören oft der Knackpunkt in der Kommunikation.

 

Viele Menschen wollen reden. Und sie wollen gehört werden. Was schwierig wird, wenn jeder nur reden will, weil dann im Gegenzug keiner zuhört. Jeder möchte, das man ihm zuhört. Aber wirklich zuhören können oder wollen nicht alle.

 

Der amerikanische Schriftsteller Stephen Covey hat mal gesagt "Die meisten Leute hören nicht zu, um zu verstehen, sie hören zu, um zu antworten." Damit hat er recht. Zuhören bedeutet, sich selbst zurückzunehmen und sich auf das Gegenüber einzulassen, seinen Worten zu folgen und ihn zu verstehen. Inhaltlich und emotional. Das erfordert Empathie, Geduld und innere Ruhe. Jegliche Antworten, Bewertungen und "abers" sollten wir einfach ziehen lassen und das Gesagte als das annehmen, was es ist. Die ganz persönliche Wahrnehmung unseres Gesprächspartners.

 

Hören wir wirklich zu, verstehen und lassen uns ein, entsteht ein Raum, der es uns ermöglicht, vorgerfertigte Meinungen gehen zu lassen. Außerdem bringt uns das selbst in einen ruhigeren Zustand und nimmt uns somit auch den inneren Druck, sofort mit einem supertollen Ratschlag kommen oder den hilfreichsten Trost spenden zu müssen. Wenn wir wirklich zuhören, wird unsere Antwort besonnener ausfallen und für den anderen unter Umständen ein wertvoller Beitrag sein.

 

Diese Ruhe, die mich zu einem besseren Zuhörer werden lässt, hilft mir auch in der schriftlichen Kommunikation. Wie leicht überfliegen wir einfach nur ein Schreiben, lassen uns von einer nicht optimal formulierten E-Mail oder einer scheinbar vorwurfsvollen SMS aus dem Konzept bringen und tippen aufgebracht eine rechtfertigende Antwort, die wir unter Umständen bereuen.

 

Gerade die digitale Kommunikation setzt uns oft unter Zeitdruck, weil wir meinen, sofort antworten zu müssen, um den Absender nicht warten zu lassen. Ganz gleich, ob wir dafür unsere aktuelle Tätigkeit unterbrechen müssen – hier sollten wir ansetzen. Lese ich die E-Mail, SMS oder die Chat-Nachricht noch ein Mal in Ruhe mit Abstand, kann ich z.B. erkennen, wenn ich etwas falsch verstanden oder überlesen habe, usw. Je unvoreingenommener und ruhiger ich mich also mit dem Geschriebenen auseinandersetze, desto besser kann ich reagieren, Streit und Missverständnisse vermeiden.

 

Der amerikanische Neurowissenschaftler Daniel Levitin rät, dass man sich für die Antwort auf eine digitale Nachricht stets Zeit nehmen sollte. Dieser Rat hängt über meinem Schreibtisch und wann immer mich der Impuls der sofortigen Reaktion übermannt, mahne ich mich selbst zur Ruhe und innerem Abstand.

 

Klingt vielleicht, als gelte all das nur für unsere Kommunikation mit Freunden und der Familie. Aber das mit dem Zuhören, das ist einfach immer relevant. In meinem Beruf zum Beispiel, da geht es um Kommunikation. Um das Reden. Um das Schreiben. Um wilde Headlines und aufmerksamkeitsstarke Texte. Aber am Anfang jedes Projekts steht immer das Zuhören. Ich will alles wissen, alles verstehen, Neues entdecken. Ich mache mich auf die Suche nach Geschichten, nach Kleinigkeiten, nach etwas, das sonst noch Keinem aufgefallen ist. Je besser ich zuhöre, desto gezieltere Fragen stelle ich auch und desto besser werden meine Texte und Ratschläge.

 

Aber auch in jedem anderen Berufsfeld ist Kommunikation immer ein entscheidender Faktor für das eigene Wohlbefinden, für die Arbeitsatmosphäre und auch für das inhaltliche Vorankommen. Aufmerksames Zuhören und überlegtes Antworten helfen unserem Verhältnis zu unseren Mitmenschen – ganz gleich in welchem Lebensbereich.

 

Das bedeutet nicht, dass wir in Zukunft jedes Wort auf die Goldwaage legen, wiederholten selbstmitleidigen Monologen folgen, uns verbal angreifen lassen und nicht mehr spontan reagieren sollten. Auf keinen Fall. Und es bedeutet auch nicht, dass wir immer völlig selbstlos zuhören müssen, auch wenn es uns gerade nicht gut geht, wir Kopfschmerzen oder einfach keine Zeit haben.Es geht darum, ab und zu innezuhalten und sich klar zu machen, wie wichtig richtiges Zuhören ist. Dass es uns zu besseren Gesprächspartnern, aber auch zu besseren Rednern macht.

 

Ich kann das selber auch nicht immer. So leicht mir das Zuhören beruflich fällt, so schwer fällt es mir manchmal privat, meinen Drang sofort etwas zu entgegnen zu bremsen. Aber ich bemühe mich. Dabeihilft es mir, mich immer mal wieder an die Worte von Haemin Sunim zu erinnern, der gesagt hat "Wissen will reden, Weisheit will zuhören.".