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Wir müssen reden

Nun geht das schon viele Monate. Und es  fühlt sich noch viel länger an. Zumindest für die meisten von uns. Es gibt vieles, worauf wir in dieser Zeit verzichten wollen, verzichten müssen.

 

Wir lesen in der Zeitung, was wir nicht sollen, nicht sollten, nicht dürfen. Wie hoch die Zahlen hier und anderswo sind. Welche neuen Erkentnisse es gibt. Wie weit der Impfstoff ist. Wer woran glaubt und woran nicht. Ja, all das ist wichtig. Keine Frage. Damit wir informiert sind.

 

Aber wir lesen selten etwas darüber, wie wir mit all dem umgehen könnten, das wir da tagtäglich lesen, hören und sehen. Wie wir das, was uns fehlt, irgendwie kompensieren können. Am liebsten wäre uns, das alles würde gerade nicht passieren.

 

Wir können die aktuelle Situation nicht ändern, aber wir können entscheiden, wie wir damit umgehen. Das gibt uns ein Stück Kontrolle zurück. Wir können nicht all unsere Freunde treffen. Die betagte Großmutter nicht im Wohnstift besuchen. Und Menschen, die uns am Herzen liegen nicht einfach voller Freude um den Hals fallen. Was bleibt also, wenn der persönliche Kontakt fehlt?

 

Wenn wir unseren Mitmenschen nicht in Gesten, körperlicher Nähe und Taten zeigen können, was sie uns bedeuten, dann müssen wir einen anderen Weg finden. Besinnen wir uns auf eine Fähigkeit, die wir nahezu alle haben: unsere Sprache, unsere Fähigkeit zu kommunizieren. Dem einen fällt das leichter, dem anderen schwerer. Aber jeder kann es in seinem Rahmen umsetzen. Ganz gleich, ob es SMS, Chat-Nachrichten, E-Mails, ein Brief oder Telefonate sind.

 

Wenn wir offen miteinander sprechen und das, was uns bewegt mit Worten ausdrücken, dann schafft das eine Verbindung. Es ist noch wichtiger als sonst, dass wir uns unsere Emotionen bewusst machen und sie auf verbaler Ebene mitteilen. Der andere kann nicht in unserem Blick oder an unserer Haltung ablesen, wie es uns gerade geht. Mindestens genaus wichtig ist es, dem anderen zuzuhören, ihn wirklich zu verstehen.

 

Sprechen und zuhören. Schreiben und lesen. Das ist es, was uns immer bleibt. Deswegen sollten wir es nutzen, ausbauen, unseren eigenen Weg finden. Wir brauchen sie alle, die verbalen Umarmungen.

 

Ein gemütlicher Video-Chat auf dem Sofa, in dem man sich bewusst Zeit füreinander nimmt und sich wirklich austauscht. Eine Postkarte, die einfach zum anderen passt. Um ihm zu zeigen, dass man an ihn denkt. Ein kurzer SMS-Gruß zum Wochenstart. Das intensive Telefonat, in dem man in Ruhe über das spricht, was gerade wichtig ist. Wirklich miteinander zu reden, miteinander zu kommunizieren, das schafft Nähe. Ganz gleich, wie weit der andere entfernt ist.

 

All das kann persönlichen Kontakt natürlich nicht ersetzen. Das ist klar. Aber wir können damit eine tragfähige und zugleich wunderschöne Brücke zum anderen bauen, über die wir irgendwann gehen und den anderen in die Arme schließen werden.